Artikel aus dem Maiwald Blog

Alle Einträge ansehen

Gratis Arzneimittelmuster an Apotheker – § 7 Abs. 1 HWG 

OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 10. Februar 2022, Az. 6 U 161/15

Wie an dieser Stelle am 14. April 2021 berichtet, verlangte die Klägerin im zugrundeliegenden Fall, gestützt auf § 47 Abs. 3 AMG sowie § 7 Abs. 1 HWG, Unterlassung der Abgabe von Gratismustern verschreibungsfreier Arzneimittel (Schmerzmittelsalbe 100g) mit der Aufschrift „zu Demonstrationszwecken“ an Apotheken durch Außendienstmitarbeiter der Beklagten. Das Landgericht Frankfurt a.M. gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte nach erneuter Rückverweisung durch den Bundesgerichtshof (BGH) Erfolg.

Das OLG Frankfurt a.M. revidiert damit seine ursprüngliche vertretene Auffassung und folgt der ratiopharm Entscheidung desEuGH (Urt. v. 11. Juni 2020, Az. C-786/18) und der nachfolgenden BGH-Entscheidung Apothekenmuster II (Urt. v. 17. Dezember 2020, Az. I ZR 235/16), wonach vorliegend ein Verstoß gegen § 47 Abs. 3 AMG nicht mehr angenommen werden kann.

Auch ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG scheidet vorliegend aus. Zwar kann die Abgabe eines Gratismusters eines Arzneimittels eine Zuwendung in Form einer Ware sein. Eine Unzulässigkeit setzt aber voraus, dass es sich nicht um eine Zuwendung von geringem Wert im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG handelt, so dass eine relevante unsachliche Beeinflussung nicht ausgeschlossen erscheint. Für die Wertbestimmung kommt es auf den Verbrauchs- oder Verkehrswert der Werbegabe für den Durchschnittsadressaten (hier: Apotheker) an. Liegt danach eine Zuwendung von nicht geringem Wert vor, kommt ein Verbot nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG nur dann in Betracht, wenn diese Praktik geeignet ist, bei den Apothekern ein wirtschaftliches Interesse an der Abgabe dieses Produktes zu wecken, was unter Berufung auf die o.g. BGH-Entscheidung danach zu beurteilen ist, ob nur eine einzige oder mehrere Werbegaben abgegeben wurden und, ob die Gefahr einer (ungeöffneten) Weitergabe der Packungen an Endverbraucher besteht.

Wurde, wie vorliegend durch die Beklagte geltend gemacht, die streitgegenständliche Werbegabe nur zur Erprobung durch den Apotheker selbst geliefert und handelt es sich nur um ein einzelnes Exemplar, spricht dies im Ergebnis nach Ansicht des OLG Frankfurt a.M. für die Annahme einer Zuwendung von geringem Wert, jedenfalls aber könne keine realistische Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung angenommen werden. Der Geringwertigkeit der Werbegabe stehe auch nicht entgegen, dass sie eine Füllmenge von 100g umfasst, damit größer sei als übliche „Pröbchen“. Auch sei der Verkaufswert aufgrund des Aufdrucks „Zu Demonstrationszwecken“ wesentlicher geringer zu veranschlagen als der Verkaufspreis (EUR 5,34). Die zum Teil bereits im geöffneten Zustand an Apotheker abgegebenen Produkte seien sogar praktisch als wertlos anzusehen.

Auch ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 S. 2 HWG hat das OLG Frankfurt a.M. zutreffend verneint. Danach sind Werbegaben für Angehörige der Heilberufe unbeschadet des Satzes 1 nur dann zulässig, wenn sie zur Verwendung in der ärztlichen oder pharmazeutischen Praxis bestimmt sind. Dies wurde vorliegend bejaht.

Die vorliegende Entscheidung ist konsequent und setzt die Vorgaben des EuGH und des BGH zutreffend um. Für den Außendienst pharmazeutischer Unternehmen ergibt sich hierdurch eine höhere Rechtssicherheit hinsichtlich der weiterhin gängigen Praxis der kostenlosen Abgabe von Mustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu Demonstrationszwecken u.a. an Apotheker. Es dürfte sich empfehlen, möglichst wenige Muster bzw. nur Einzelexemplare eines verschreibungsfreien Produktes als Gratismuster abzugeben und diese darüber hinaus entsprechend so zu kennzeichnen und gegebenenfalls bereits zu öffnen, um sicherzustellen, dass eine Weitergabe an Endverbraucher unterbleibt.

Die Beiträge im Maiwald-Blog stellen lediglich einen Überblick zu aktuellen rechtlichen Themen, Gesetzgebungsvorhaben sowie Rechtsprechung dar und dienen der allgemeinen Information und ersetzen keinesfalls eine konkrete Beratung im Einzelfall. Wenn Sie Fragen zu den hier angesprochenen oder anderen Themen und Rechtsgebieten haben, steht Ihnen Ihr persönlicher Ansprechpartner bei Maiwald oder der jeweils im Beitrag genannte Verfasser gerne jederzeit zur Verfügung.

Kontakt aufnehmen

Autoren

Dr. Christian Meyer

Partner

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Vertreter vor dem UPC