BGH widerruft ein ergänzendes Schutzzertifikat des US-Pharmakonzerns Gilead für das HIV-Medikament Truvada®
Das Generikaprodukt der Maiwald Mandantin Generics UK war und ist rechtmäßig im Handel.
München, 30. September 2020: Die Maiwald Patentanwalts- und Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München hat für ihre Mandantin Generics UK Ltd. vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einen wichtigen Sieg errungen. Der BGH hat am 22. September das ergänzende Schutzzertifikat DE 12 2005 000 041.8 für die Wirkstoffkombination von Tenofovir Disoproxil und Emtricitabin endgültig für nichtig erklärt und die Berufung des US-Pharmakonzerns Gilead Sciences Inc. abgewiesen.
HIV-Medikamente mit dieser Wirkstoffkombi sind stark nachgefragt
Die Wirkstoffkombination ist unter anderem in Gileads HIV-Arzneimittel Truvada® enthalten. Sie ist ein zentraler Baustein in der HIV-Behandlung. Mit der Entscheidung des BGH kommt auch das deutsche Verfahren zu einem Ende. Erst kürzlich war das parallele Verfahren im Vereinigten Königreich zu dieser Wirkstoffkombination zum Abschluss gekommen. Mit der jüngsten Entscheidung schloss sich der BGH den Ansichten der britischen Gerichte und auch zahlreicher anderer europäischer Gerichte an.
Ergänzendes Schutzzertifikat ist nicht schutzwürdig
Der BGH bestätigte, dass das ergänzende Schutzzertifikat für Tenofovir Disoproxil und Emtricitabin nicht schutzwürdig ist. Der Grund: Das Schutzzertifikat erfüllt nach Ansicht des obersten Gerichts der Bundesrepublik Deutschland nicht die Kriterien, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Entscheidung „Teva“ (C-121/17) am 25. Juli 2018 aufgestellt hat; nämlich Kriterien, die erforderlich sind, um ein Erzeugnis des ergänzenden Schutzzertifikats auf der Basis eines Grundpatents zu schützen. Der EuGH hatte sich mit dem parallelen Fall aus dem Vereinigten Königreich auseinandergesetzt, nachdem ein Vorabentscheidungsersuchen des britischen Gerichts vorlag.
Markteintritt der Generikapräparate war nicht zu verhindern
Schon vor dieser EuGH-Entscheidung hatte das Bundespatentgericht im Mai 2018 im erstinstanzlichen Verfahren (Akz.: 4 Ni 12/17) der Klage von vier Generikaunternehmen, darunter Generics UK Ltd., stattgegeben und das ergänzende Schutzzertifikat für nichtig erklärt. Zuvor hatte Gilead erfolglos versucht, den Markteintritt aller Nachahmerprodukte zu verhindern: die Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügungen auf Basis des ergänzenden Schutzzertifikats schlugen fehl.
Patentanwalt Dr. Derk Vos und Rechtsanwältin Heike Röder-Hitschke für Maiwald im Einsatz
Vor dem Bundesgerichtshof vertraten Patentanwalt Dr. Derk Vos und Rechtsanwältin Heike Röder-Hitschke das Pharmaunternehmen Generics UK Ltd. „Der Bundesgerichtshof hatte mit diesem Nichtigkeitsverfahren nach einiger Zeit und unter neuem Vorsitz Gelegenheit, sich zu einem in Europa viel diskutierten Verfahren zu äußern. Wir freuen uns sehr über diese für unsere Mandantin positive Entscheidung“, sagt Patentanwalt Vos. Die Begründung läge derzeit zwar noch nicht vor, doch es sei zu erwarten, so Vos, dass der Bundesgerichtshof hier die Kriterien, die der EuGH in seiner neueren Rechtsprechung aufgestellt hat, konsequent umsetzt und auch für zukünftige Fälle klare Anleitungen geben wird.
Schutzzertifikate gleichen Wartezeiten bis zur Marktzulassung aus
Mittels ergänzender Schutzzertifikate oder Supplementary Protection Certificates (SPC) können Arzneimittelhersteller den zunächst durch ein Patent gesicherten Schutz für ein zugelassenes Arzneimittel um bis zu fünf Jahre verlängern. Das Zertifikat verlängert nicht das Patent an sich. Es schützt innerhalb des Schutzbereichs des Grundpatents bereits zugelassene Arzneimittel, deren Erforschung in der Regel sehr aufwändig und kostenintensiv ist. So setzt sich der Gesetzgeber mit den ergänzenden Schutzzertifikaten dafür ein, den Patentinhabern die „verlorene“ Zeit zwischen der Patentanmeldung und der für die kommerzielle Nutzung erforderlichen Marktzulassung für ein Arzneimittel durch eine entsprechende Verlängerung auszugleichen.