Voraussetzungen des Vernichtungsanspruchs nach § 140a PatG hinsichtlich einer Gesamtvorrichtung oder Teilen hiervon (OLG Düsseldorf, Urteil v. 5. November 2020, Az. I-2 U 63/19)
Das LG hat eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents, betreffend ein Verbindungselement für Bodensegmente eines Bodenbelags, bejaht und die Beklagte zur Unterlassung und u.a. Vernichtung verurteilt.
Der Vernichtungsanspruch wurde erstinstanzlich auf eine Vernichtung der im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz der Beklagten befindlichen ersten Teilelemente des Verbindungselements beschränkt und der Beklagten zugleich gestattet, die ersten Teilelemente in der Form umzugestalten, statt sie zu vernichten.
Das OLG hat die zulässige Berufung der Beklagten zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil im Wesentlichen bestätigt. Die Beschränkung des Vernichtungsanspruchs ist durch die Beklagte unangefochten geblieben. Das OLG hat sich daher im Hinblick auf den Vernichtungsanspruch nur mit der Verhältnismäßigkeit der tenorierten Teil-Vernichtung beschäftigt und festgestellt, dass sich sämtliche, den erfindungsgemäßen Verbinder kennzeichnenden Bauteile im Besitz der Beklagten befänden, die derzeit lediglich nur nicht erfindungsgemäß zusammengesetzt seien, was der Patentanspruch aber auch nicht verlange. Zwar beschreibe der Patentanspruch die technischen Gegebenheiten im zusammengebauten Zustand, verlange diese gleichwohl nicht. Dieses Verständnis ergebe sich nach Ansicht des Oberlandesgerichts auch aus dem anerkannten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes, wonach der unmittelbare Schutz nach § 9 PatG auch hinsichtlich z.B. einer Kombinationserfindung zur Verfügung stehe.
Vergleichsbares müsse zur Vermeidung von Rechtsschutzlücken auch für den Vernichtungsanspruch gelten, für den Fall, dass sämtliche Elemente einer patentgeschützten Gesamtvorrichtung im Besitz oder Eigentum des Verletzer stehen und Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass diese durch den Verletzer selbst oder – zurechenbar – durch einen Dritten zum Erfindungsgegenstand zusammengesetzt werden sollen. Dann unterliegen auch diese Einzelteile dem Vernichtungsanspruch. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn der Verletzer bereits in der Vergangenheit eine entsprechende Gesamtvorrichtung in Verkehr gebracht hat. Ist es jedoch möglich, das patentgeschützte Erzeugnis in einem technischen Merkmal so abzuändern bzw. nur ein Teil desselben zu vernichten, dass es nicht mehr in den Schutzbereich fällt, scheidet eine vollständige Vernichtung aus. Einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 140a Abs. 4 PatG bedürfe es dann nicht mehr.
Anmerkung:
Die Entscheidung ist zu begrüßen und zeigt, dass im Falle einer Patentverletzung einer aus mehreren Einzelteilen bestehenden Vorrichtung ein Vernichtungsanspruch auch hinsichtlich aller Einzelteile in Frage kommen kann, aber nicht muss. Im Einzelfall ist zu prüfen, welche eine Verletzung ausschließenden Abwandlungen möglich sind und als „milderes Mittel“ ist gegebenenfalls dem Verletzer die Möglichkeit zur Umgestaltung – u.U. auch nur hinsichtlich einzelner Teilelement – statt einer vollständigen Vernichtung zu geben.