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Rechtsschutzinteresse für Nichtigkeitsklage – Teil 4

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. August 2021, Az. X ZR 96/18

Die vorliegende Beitragsreihe beschäftigt sich mit den jüngsten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Rechtsschutzinteresse hinsichtlich einer Nichtigkeitsklage nach Ablauf der Patentlaufzeit (siehe hierzu auch die früheren Beiträge vom 20. Oktober 2020, 4. Januar 2021 und 10. Juni 2021).

Im zugrundeliegenden Fall war das Streitpatent bei Einreichung der Nichtigkeitsklagen bereits durch Zeitablauf erloschen, während vor dem Landgericht Düsseldorf lediglich auf den Nebenanspruch 21 des Streitpatents gestützte Verletzungsverfahren anhängig waren.

Das Bundespatentgericht (BPatG) verneinte die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklagen hinsichtlich aller nicht im Verletzungsverfahren gegenständlichen Ansprüche mangels besonderen Rechtsschutzbedürfnisses und erklärte im Übrigen das Streitpatent im Umfang des Anspruchs 21 wegen fehlender Neuheit für nichtig (Urteil vom 15. November 2017, Az. 5 Ni 59/16).

In der Berufungsinstanz bejahte der BGH hiervon abweichend die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage in vollem Umfang und erklärte die Ansprüche 1-20 des Streitpatents für nichtig und hielt die Ansprüche 21-26 in geänderter Form aufrecht.

Zur Begründung führte der BGH an, dass das Rechtsschutzbedürfnis nicht nach allzu strengen Maßstäben beurteilt werden dürfe und bestätigt seine bisherige Rechtsprechung, wonach dieses nur dann verneint werden könne, wenn eine Inanspruchnahme durch den Patentinhaber ernstlich nicht mehr in Betracht komme (mit Verweis auf Beschl. vom 14. Februar 1995 – X ZB 19/94 – Tafelförmige Elemente sowie Beschl. v. 13. Juli 202, Az. X ZR 90/18 – Signalübertragungssystem).

Entsprechend dieser Grundsätze begründe eine bereits erhobene Verletzungsklage grundsätzlich ein Rechtsschutzinteresse in Bezug auf alle Ansprüche des Patents, auch wenn sie nur auf einzelne Patentansprüche gestützt ist. Dies gelte auch für Nebenansprüche, jedenfalls dann, wenn diese inhaltlich so weitgehend übereinstimmen, dass die Verwirklichung der Merkmale eines Anspruchs (z.B. eines Vorrichtungsanspruchs) typischerweise zur Verwirklichung der Merkmale des anderen Anspruchs (z.B. eines Verfahrensanspruchs) führe. In Bezug auf Unteransprüche könne ein Rechtsschutzinteresse allenfalls dann zu verneinen sein, wenn offensichtlich ist, dass die angegriffene Ausführungsform ein darin vorgesehenes Merkmal weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln verwirklicht.

Die Entscheidung reiht sich ein in die jüngsten Entscheidungen des BGH, wonach auch nach Ablauf des Streitpatents keine zu hohen Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse für eine Nichtigkeitsklage zu stellen sind. Abzuwarten bleibt jedoch, wie das BPatG die Vorgaben des BGH zur Prüfung der Voraussetzungen des Rechtschutzbedürfnisses bei Unteransprüchen umsetzen wird. Nimmt man den BGH hier wörtlich, müsste das BPatG wohl im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage eine inzidente Verletzungsprüfung vornehmen, was jedoch zum einen nicht zum Aufgabenbereich des BPatG gehört und zum anderen die Gefahr einer vom Verletzungsgericht abweichenden Beurteilung birgt.

Die Beiträge im Maiwald-Blog stellen lediglich einen Überblick zu aktuellen rechtlichen Themen, Gesetzgebungsvorhaben sowie Rechtsprechung dar und dienen der allgemeinen Information und ersetzen keinesfalls eine konkrete Beratung im Einzelfall. Wenn Sie Fragen zu den hier angesprochenen oder anderen Themen und Rechtsgebieten haben, steht Ihnen Ihr persönlicher Ansprechpartner bei Maiwald oder der jeweils im Beitrag genannte Verfasser gerne jederzeit zur Verfügung.

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Dr. Christian Meyer

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Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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