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Warum die Künstliche Intelligenz ein Rechtssubjekt sein sollte

Die Juristische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts hat kürzlich in den zusammengelegten Verfahren J 8/20 und J 9/20 bestätigt, dass der in einer Patentanmeldung genannte Erfinder nach dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) ein Mensch sein muss und ein System der künstlichen Intelligenz hier nicht in Betracht kommen kann.

Eine Erfinderbenennung einer Nicht-Person, eines Systems der künstlichen Intelligenz ist nach Auffassung der Juristischen Beschwerdekammer im Patenterteilungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt nicht zulässig. Die Juristische Beschwerdekammer bestätigte die Entscheidungen der Eingangsstelle des Europäischen Patentamts, die Anmeldungen EP 18 275 163 und EP 18 275 174 zurückzuweisen, in denen ein System der künstlichen Intelligenz namens DABUS als Erfinder in den Anmeldeformularen benannt wurde.

Am Ende der mündlichen Verhandlung der Verfahren J 8/20 und J 9/20 wies die Juristische Beschwerdekammer die Beschwerde zurück und gab in beiden Fällen mündlich die grundsätzliche Begründung, dass nach dem EPÜ der Erfinder eine geschäftsfähige Person sein muss und ein KI-System als Erfinder nicht ausreichend ist. Zumindest aus diesem Grund sei der Hauptantrag mit der Erfinderbenennung DABUS unzulässig. Was den Hilfsantrag betrifft, so müsse eine Erklärung über die Entstehung des Rechts auf das europäische Patent nach Artikel 81 Satz 2 EPÜ mit Artikel 60 (1) EPÜ übereinstimmen.

Somit sind die Kernpunkte für die Zurückweisung der Anmeldungen durch die Juristische Beschwerdekammer in der mangelnden Rechtsfähigkeit des Systems der künstlichen Intelligenz und der Nichteinordnung des KI-Systems als Rechtssubjekt begründet. Sowohl die Nennung als Erfinder als auch die Übertragung der Rechte an der Erfindung und insbesondere des Rechts auf das Patent an den Anmelder sieht die Juristische Beschwerdekammer für ein System der künstlichen Intelligenz – kurz ein KI-System – mangels Rechtspersönlichkeit des KI-Systems als unmöglich an.

Die zwei zurückgewiesenen Europäischen Patentanmeldungen sind Teil einer weltweiten Patentfamilie von Patentanmeldungen mit dem System DABUS als Erfinder. DABUS ist ein KI-System, das von Stephen Thaler dem Anmelder der Patentanmeldungen entwickelt wurde. Es ist dem Anmelder und seiner regen Anmeldetätigkeit zu verdanken, dass entsprechende Verfahren mit dem gleichen Sachverhalt vor einer Vielzahl von Patentämtern weltweit anhängig sind. Somit werden fast alle wichtigen Jurisdiktionen mit den gleichen Fragestellungen zu diesem spannenden Thema der künstlichen Intelligenz beschäftigt.

Auch in den Vereinigten Staaten, Thaler v. Hirshfeld, und in Großbritannien, Stephen L Thaler v The Comptroller-General of Patents, Designs And Trade Marks [2020] EWHC 2412 (Pat), sind die Patentanmeldungen derselben Patentfamilie aufgrund der als unzulässig erachteten Nennung des DABUS Systems als Erfinder jeweils zurückgewiesen worden.

Mit der vorliegenden Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts ist nun ein weiteres Gericht der derzeit herrschenden Meinung gefolgt, dass Systeme der künstlichen Intelligenz keine Rechtsfähigkeit besitzen und nicht Träger von Rechten und Pflichten sein können. Begründet wird dies in der herrschenden Meinung mit der Sicherung des Vorrangs des Menschen.

Historisch erinnern die Rechtsfragen, die sich aus der Teilnahme von System der künstlichen Intelligenz am täglichen Leben und im Anmeldeverfahren vor den Patentämtern der Welt ergeben, an die Fragen, wie sie im Zuge der Entscheidung zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auftraten, für die eine Anerkennung der Rechtsfähigkeit letztendlich aus der Praxis und der Realität des Rechtsverkehrs erfolgte, NJW 2001, 1056. BGH: Rechtsfähigkeit der (Außen-)GbR. Urteil vom 29.01.2001 – II ZR 331/00.

Diesem Anerkennen der Wirklichkeit folgte nun jüngst auch ein Gericht in Australien (Thaler v Commissioner of Patents [2021] FCA 879) und das Patentamt von Südafrika, welche jeweils die Nennung einer Nicht-Person, eines Systems der künstlichen Intelligenz als Erfinder für zulässig erachteten.

Pragmatisch verhielt sich in seiner für Deutschland getroffenen Entscheidung (11 W (pat) 5/21) das Bundespatentgericht, welches die alleinige Nennung des KI-Systems ebenfalls nicht gestattete, aber eine Mitbenennung des KI-Systems erlaubte, ohne die wohl als zu dogmatisch betrachte Frage der Rechtsfähigkeit eines KI-Systems beantworten zu müssen.

Die Entscheidung der Juristische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in den Verfahren J 8/20 und J 9/20 hat es leider verpasst, auf die Änderungen und Neuerungen im Bereich künstlicher Intelligenz angemessen zu reagieren, und ist im weltweiten Vergleich und im Kontext der Digitalisierung, von Industrie 4.0 und von weiteren, disruptiven Technologien sicherlich nicht als besonders fortschrittlich anzusehen.

Da Systeme der künstlichen Intelligenz im Zuge von Erfindungen und der Anwendung der Technologie mit den Menschen vermehrt in Interaktion eintreten, sollte man diesen Systemen auch die Rechtspersönlichkeit zuerkennen und die Nennung als Erfinder stellt hier sicherlich den einfachsten und fundamentalsten Schritt dar.

Die Beiträge im Maiwald-Blog stellen lediglich einen Überblick zu aktuellen rechtlichen Themen, Gesetzgebungsvorhaben sowie Rechtsprechung dar und dienen der allgemeinen Information und ersetzen keinesfalls eine konkrete Beratung im Einzelfall. Wenn Sie Fragen zu den hier angesprochenen oder anderen Themen und Rechtsgebieten haben, steht Ihnen Ihr persönlicher Ansprechpartner bei Maiwald oder der jeweils im Beitrag genannte Verfasser gerne jederzeit zur Verfügung.

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Autoren

Dr. Simon Lud

Partner

Patentanwalt

European Patent Attorney

Diplom-Physiker